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Interview mit Frank Almond: Die 1715 Lipinski Strad

Laurie Niles

Laurie Niles, May 10, 2013 um 9:58 PM

Im folgenden beschreibt der Konzertmeister des Milwaukee Symphony Orchesters Frank Almond sein Verhältnis zur Lipinski Stradivari aus dem Jahr 1715, die er seit 2008 spielt:

„Es ist eine Ehre und ein Privileg, Teil ihres Lebens zu sein.“

Und was für ein Leben das war: Angefertigt durch die erfahrenen Hände von Antonio Stradivari, während seiner „Goldenen Periode“,  für den berühmten und angesehene Geiger Giuseppe Tartini, dann zu Karol Lipinski, Paganini´s Rivale und Freund der Schumanns, weiter zur Familie Röntgen durch 3 Generationen von Geiger des Gewandhaus Orchesters; dann nach Amerika, Kuba, dann gespielt von der estnischen Violinistin Evi Liivak, die vor den Nazis im 2. Weltkrieg fliehen musste- und nun bei Frank Almond.

„Je mehr ich erfuhr, desto begeisterter war ich“, sagte Frank zu mir am Telefon aus Milwaukee. „Es war wie im Film, den du unmöglich hättest schreiben können. Es war wie in „Die rote violine" - aber es war real.“ Seit Tartini war es wirkliche Geschichte und ich fühlte, dass sie erzählt werden musste, nicht nur wegen des Stradivari Geheimnisses, sondern auch wegen der unterhaltsamen Informationen. Und hier ist sie nun, mitten in der City von Milwaukee.

Frank neuestes Projekt „A Violin's Life“, hat die Absicht die Geschichten und die Stücke der vergangenen Jahrhunderte zu erzählen und wiederzubeleben, die auf diesem Instrument gespielt wurden- manche noch gut bekannt, andere längst vergessen.

Mithilfe der erfolgreichen Kickstarter Kampagne nahmen er und der Pianist William Wolfram die „Teufels Trill“ Sonate von Guiseppe Tartini, die Violidn Sonate Nr. 2 von Julius Röntgen und die Violin Sonate Nr.2 von Robert Schumann, besser bekannt als Karol Lipinskis Solo Caprice Nr. 3, auf.

Sogar die Geschichte wie Frank dazukam, die Lipinski Strad zu spielen, klingt wie der unwahrscheinlichste Plot einer Novelle, vielleicht genannt „The Stradivari Code“.

Frank Almond

„Es ist immer noch meine bevorzugte Intrumentengeschichte, und ich habe viele wirklich gute Instrumentengeschichten“, sagte Frank, der seit 1995 (bis auf einige Jahre in Europa) Konzertmeister der Milwaukee Symphony ist und der zur Zeit an der Northwestern University unterrichtet. „Diese eine war wirklich… schockierend, auf eine Weise!“

Alles begann mit einer E-mail eines Fremden: Wir haben eine alte Geige, zurückgelassen in einem Gebäude. Wir denken sie ist noch zu gebrauchen... Was sollen wir tun?

Er hat diesen Typ E-mail schon öfter gesehen, „ein paar Jahre zuvor, jemand findet eine Geige auf seinem Dachboden oder so… es ist eine alte Geschichte.“

Natürlich war er ein bisschen skeptisch. „Aber da waren ein paar wirklich interessante Details, die eingestreut waren“, sagte Frank. „Es war klar, dass sie wussten, etwas wirklich Wichtiges zu haben und nicht nur eine Müll- Geige auf jemandes Dachboden.“

Zum Beispiel nannten sie sie beim Namen „Lipinski Strad“ und gaben alle Infos, angefangen beim Baujahr und letztem Verkauf.

Ein Eintrag in Toby Fabers Buch von 2006 „Das Stradivari Genie", heizte das Geheimnis weiter an: „Seit ihrem letzten notierten Verkauf in 1962, ist die Lipinski Strad aus dem Blick verschwunden.“ (S.9)

Hmmmm...

Er sandte eine E-mail an seinen Freund, den in Chicago sesshaften Geigenbauer Stefan Hersh, der ihm zustimmte, es könnte tatsächlich sein.

Wie es sich ergab, war die Familie in Milwaukee, um sich um verwandten Besitz zu kümmern, so dass sie sich einen Tag später trafen.

„Ich traf sie am Lager Schließfach und wie verstanden uns wirklich gut“, erzählte Frank. „Sie zeigten mir alte Programme, alte Papiere von Jacques Francais und Versicherungen. Es war klar, dass sie vom diesem Instrument sprachen. Die Stradivari selbst war allerdings nicht da - Wo war sie?

„Es stellte sich heraus, dass sie die Geige in ein Bankfach gebracht hatten- ein reguläres Bankfach bei der M&J Bank, die etwa, würde ich sagen, 100 Yards von der Konzert Halle entfernt lag“, berichtete Frank weiter. „Es war Ironie- ich hatte all die Jahre in dieser Halle gespielt und da war eine 1715 Strad, die Straße runter in einem Bankfach.“

Einige Tage später kam Stefan aus Chicago und sie gingen mit der Familie zum Banksafe.

„Wir saßen in einem Raum mit Tisch, jemand brachte diesen alten Jaeger Koffer herein, und da war sie!“

Sie war in diesem Bankfach für 9 Monate gewesen- sicher, aber vermutlich nicht ideal mit seiner extrem niedrigen Feuchtigkeit. Doch „sie war aktuell in recht guter Verfassung. Zu diesem Zeitpunkt ist sie vermutlich seit 20 Jahren nicht gespielt worden. Sie war wirklich nicht in spielbarer Kondition zu dieser Zeit, aber es war nichts wirklich größeres kaputt an ihr. Du konntest sofort sagen, dass das Die Violine war, nur anhand der Identifizierungspunkte- es ist schwer eine 1715 Strad zu fälschen.“

Nach dem Brüten über ihre vielen Möglichkeiten für viele Monate, entschied die Familie schließlich die Violine zu behalten- und sie Frank zu leihen, der Erfahrungen mit Strads hatte; während er Konzertmeister des Fort Worth Kammerorchesters war, hatte er die 1710 Davis Strad gespielt und die Dushkin Strad in Milwaukee.

Diese Geige, eine Großmodell-Strad, war gespielt worden von Evi Liivah, die in den späten 90ern gestorben war. Evis Ehemann, Pianist Richard Anschuetz, hatte Milwaukee Abstammung und war nicht in der Lage gewesen, die Geige zu spielen.

Angesichts ihrer Geschichte versteht man warum: Richard und Evis Romanze verblasste in den Wirren des 2. Weltkrieges; sie trafen sich bei den Nürnberger Prozessen. Sie war ein Wunderkind in Estland gewesen. Doch ihr Studium an der staatlichen Musikakademie in Budapest wurde beendet, als ihr Vater von der deutschen Gestapo getötet worden war. Er war ein estnischer Patriot gewesen. Daher spielte sie zwar nach seinem Tod für estnische Flüchtlinge, weigerte sich aber für deutsche Offiziere zu spielen. Anschuetz, ein amerikanischer Pianist, arbeitete für die U.S. Army als Übersetzer bei den Kriegsprozessen, als sie sich trafen. Die beiden heirateten in Paris und landeten schließlich in NYC.  Ihr Leben mit der Lipinski Strad begann 1962, als Anschuetz Mutter, Rosalind Elsner Anschuetz, diese für Evis Gebrauch von der Wurlitzer Instrument Company kaufte- für 19.000$! (Man kann sich nur wundern, was sie heute dafür bekäme- Millionen, ohne Zweifel!). Obwohl sie nie einen großen Namen hatte, tourte Evi Liivah durch 35 Länder, spielte Liederabende und Konzerte mit der Strad.

Aber wo war die Violine davor gewesen?

„Es gab eine Familie in Kuba, die das Instrument von den 1940ern bis zu den frühen 60ern besaß“, so Frank. Er erfuhr mehr über diese vielen Jahren vorher, als der Sohn des Besitzers Frank nach einem Konzert, das er in Florida gab, aufspürte. Der Besitzer war 1961 buchstäblich aus Havanna geflüchtet- er sah sozusagen die Schrift auf der Mauer.

Er landete in Florida, wo er das Instrument kaufte um zu überleben. Im Grunde flüchtete er aus Kuba mit dem Instrument und seinen 2 Töchtern. Er war die letzte Person, die das Instrument besaß, bevor es den aktuellen Besitzern verkauft wurde.“

Kuba?

„Ja, erinnern Sie sich, dass Havanna ein kulturell bekannter Platz war, mit einer langen Geschichte von klassischer Musik, bis zu den frühen 60ern“, sagte Frank. „ Der Sohn war Geiger, er gab Geigenstunden, sein Vater kaufte die Geige als Investition in den 40ern, von Wurlitzer.“

Der Besitzer war ein Anhänger der Havanna Symphony, und wenn Solisten durchreisten, kamen sie zu ihm und er zeigte ihnen sein Instrument.“ Der Sohn zeigte Frank eine Karte mit dem Jahren und den Namen von allen, die bei ihm zu Hause waren um die Geige zu spielen.  Wie viele Geiger waren auf der Liste? „Wenigstens 15- 15 der berühmtesten Geiger von denen ich je gehört hatte. Besonders erinnerte er sich daran, dass Heifetz für eine kleine Weile darauf gespielt hatte und dachte, sie sei zu groß. Er mochte das Griffbrett nicht- sagte, es wäre nicht angenehm auf ihr zu spielen.“ Unter den anderen Namen waren Milstein, Isaac Stern und Michael Rabin.

Aber wir kratzen hier nur an der Oberfläche. Lasst uns die Zeit zurückdrehen und zurück zum frühen 18. Jahrhundert gehen; dieses Instrument gehörte zu erst Giuseppe Tartini, dem bunten Italiener, der sich vor einem Leben als Priester drückte um Geiger zu werden, dessen berühmteste Arbeit wohl die „Teufelstriller Sonate“ ist, welche Frank auf dem Album spielt.

Tartinis Schüler, Signor Salvini, erbte die Geige und gab sie Karol Lipinski- und das ist wieder so eine teuflische Geschichte (gut dokumentiert, aber möglicherweise ein bisschen übertrieben), wie Lipinski das einem Freund beschrieb: Einst als Lipinski für ihn in seinem Haus spielte, zerschmetterte der ältere Salvini Lipinskis Geige in Stücke. Dann bot er ihm die Strad seines Lehrers an, deren Schönheit, wie er sagte, am besten entfaltet werden könnte durch Lipinskis Hände.

„Lipinski war unglaublich berühmt und eine prominente kulturelle Figur im 19. Jahrhundert, obwohl eine Menge Leute heute nicht wissen, wer er war“, erklärte Frank. „Er war sehr eng mit den Schumanns, er hatte eine lange Geschichte mit Ferdinand David Mendelssohn.“ Er spielte auch eine Zahl von öffentlichen Duett Wettbewerbskonzerten mit Paganini. Natürlich haben wir alle die 24 Caprices von Paganini gehört, aber was ist mit den Caprices von Lipinski? Frank spielte seine Solo Caprice Nr. 3 auf „A Violin's Life“ und er gibt zu, dass beides hart war zu spielen und zu finden.

„Lipinski fühlte sich der Tradition der Virtuosen verpflichtet, weshalb er sich auf diesen Wettbewerb mit Paganini einließ“, erklärt Frank. „Er war ein sehr produktiver Komponist, sicher nicht so wie Paganini, aber definitiv von derselben Philosophie. Niemand wirft Lipinski mit den “Hall of Fame- Komponisten“ der letzten 200 Jahre in einen Topf, ich jedoch dachte, es sei ein nettes kleines Stück für die Solovioline und repräsentativ für diese Tradition und seine Arbeit.“ Frank fand die Musik durch einen Studenten, der sie auf YouTube spielte, es gibt aber auch jede Menge Noten in der Karol Lipinski Akademie in Warschau.

Frank nahm Schumanns 2. Violinsonate in „A Violin's Life“ auf, da Schumann und Lipinski sehr eng befreundet waren. Er, Clara und Robert spielten etwas Kammermusik zusammen, und meine Meinung ist, dass sie bestimmt auch diese Sonate spielten, auf dieser Geige und mit einem von Robert oder Clara am Klavier.

Nach dem Tod Lipinskis fand die Geige ihren Weg in die Familie Röntgen in Leipzig, Deutschland.

Engelbert Röntgen spielte diese Geige als Konzertmeister des Gewandhaus Orchesters von 1853 bis 1897, ein entscheidender Zeitpunkt und Ort in der Geschichte westlicher Musik. „Wir rechneten nach und stellten fest, dass diese diejenige war, die der Konzertmeister bei der Premiere des Brahms Violinkonzertes spielte. Joseph Joachim stand dabei zehn Fuß entfernt mit seiner 1715 Stradivari“, beteuerte Frank. „Es gab tausende solcher Geschichten. Sie war auch die Geige, die bei der Premiere des Brahms Doppelkonzertes gespielt wurde, mit Brahms als Dirigenten.“

Eines der interessantesten Stücke, die Frank auf seiner CD spielt, ist die Sonate von Engelberts Sohn, Julius Röntgen.

„Niemand weiß mehr wirklich, wer er war, aber, er war äußerst fleißig, er schrieb hunderte von Werken“, sagte Frank. „Nur eins von diesen zu finden verlangte detektivischen Spürsinn. Ich begann in der Northwestern Bibliothek. Es gab Kopien von verschiedenen Sonaten, aber niemand konnte sie ausleihen, da sie an Orten wie der staatlichen Bibliothek Wien oder in Amsterdam waren, und die meisten waren handschriftlich.“ Schließlich fand er eine Kopie der Violinsonate an der Juilliard School.

„Es war schon besonders, eines Tages in einem Raum mit Bill, dem Pianisten William Wolfram, zu sitzen und diese Musik zu lesen, weil sicherlich niemand diese Stücke seit geschätzt 80 Jahren angesehen hatte“, schwärmte er. „Und sicher hatte niemand sie aufgeführt, sie war völlig aus dem Gebrauch. So dachten wir, es wäre großartig, sie aufzunehmen.“

Die Überbrückung von der Röntgen Ära in die Gegenwart. Frank erklärt: „Wir mussten mehrere Dekaden auslassen. Vielleicht ist das eine zukünftige Aufgabe.“ Und die Zukunft der Lipinski Stradivari? Frank wird jedenfalls alles miterleben.

Ist er gejagt von der außergewöhnlichen Geschichte der Geige, sodass diese jetzt seine konstante Begleiterin ist?

„Wenn man über alles an diesem Instrument nachdenkt, ist es leicht, sich winzig zu fühlen!“, sinniert Frank. „Sicher, es war gruselig die „Teufelstriller“-Sonate zu spielen, jedenfalls bei den ersten paar Malen. Das ist es jedoch, wofür die Geige gemacht ist: zum Spielen. Sie wird viel länger existieren als ich, und jeder Tag, an dem es mir möglich ist, sie zu spielen, ist wundervoll.“

***

Frank Almond spielt und spricht mit der Pianistin Jeannie Yu über die "Teufels Triller Sonate".

© Copyright by Violinist.com. Originalquelle: https://www.violinist.com/blog/laurie/20135/14636/