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Interview mit Vilde Frang : Carl Nielsen Violinkonzert

Violinist.com interview with Vilde Frang: Carl Nielsen Violin Concerto

von Laurie Niles (violinist.com) August 2, 2012  at 2:20 AM

Das Violinkonzert vom dänischen Komponisten Carl Nielsen mag nicht das meist gespielte oder aufgeführte sein, aber es hat eine passionierte und kompetente Verfechterin in der 26-jährigen norwegischen Violinistin Vilde Frang.

Ihre neue Aufnahme von „The Tchaikovsky and Carl Nielsen Violin Concertos“ mit dem Symphonieorchester des dänischen Radios, ist eines der drei, welche sie in rasantem Erfolg herausbrachte: Im Jahre 2010 nahm sie „Sibelius Violin Concerto and Humoresques and Prokofiev Violin Concerto No. 1 auf, und 2011 folgte „Grieg Violin Sonata No. 1; Bartok Sonata for Solo Violin; and Strauss Violin Sonata, Op. 18“.

© EMI CLASSICS

Am Anfang des Jahres erhielt sie den „2012 Credit Suisse Young Artist Award“. Dazu gehört, dass sie ihr Debut im September mit dem Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Bernard Haitink auf dem „2012 Lucerne Summer Music Festival“ geben wird.

Sie wurde unterrichtet von Kolja Blacher an der Musikhochschule Hamburg und von Ana Chumachenco an der „Kronberg Academy“. Außerdem studierte und lernte sie am „The Barratt Due Institute of Music“ in Oslo. Sie spielt eine Jean-Baptiste Vuillaume Violine, die von der Anne-Sophie Mutter Freundeskreis Stiftung geliehen wird.

Letzten Monat telefonierten wir von Frankfurt aus und sprachen über Nielsen, ihre Beziehung zu Anne-Sophie Mutter, über ihre Familie von Bassisten und ihrem „Suzuki Start“ und noch vieles mehr:

* * *

Laurie: Ich bin so aufgeregt, dass du den Nielsen aufgenommen hast. Vielleicht habe ich es nie gehört, so habe ich doch den Eindruck, dass es ein würdiges und liebenswürdiges Stück ist. Es hat große Momente von Schönheit genauso wie Kaleidoskope von Emotionen. Während die Harmonien modern sind, haftet ihm zweifellos eine klangliche Sprache an. Wie hast du persönlich dieses Stück entdeckt?

Vilde: Nielsen war eigentlich eine sehr späte Entdeckung für mich – er ist immer noch ein unentdeckter Komponist. Es ist schwierig Nielson richtig zu erfassen; Ich denke, dass es so ist, weil seine Musik nicht offensichtlich ist. Strukturell ist es sehr frei – es schwimmt gewissermaßen. Es gibt eine Struktur, aber dieses ist sehr exotisch, sehr speziell, es ist eine sehr besondere Art der Struktur. Manche mögen sich mit Mahler quälen – Mahler hat dieselbe Art der exotischen Strukturierung der Musik.

Auch technisch ist Nielsen wirklich schwierig.

Laurie: Das würde ich gerne näher wissen.

Vilde: Es ist wirklich schwierig. Als das Tschaikowsky-Konzert erstaufgeführt wurde, wurde es als unspielbar angesehen, weil es technisch so viele Schwierigkeiten barg, und ganz im Ernst, Nielsen ist nicht weniger schwierig zu spielen als das Tschaikowsky-Konzert! Außerdem hat es eine Menge an Noten!

Laurie: Es ist ein sehr langes Werk, nicht wahr?

Vilde: Ja, es ist sehr lang, und es ist auf eine Weise unerreichbar. Es ist kein einfaches Zuhören. Ich mag es mehr, es zu spielen als es zu hören. Als ich das Konzert das erste Mal hörte, fand ich es sehr schwer zu verstehen. Dann musste ich dieses Konzert lernen. Ich hatte ein Engagement beim „Danish Orchestra“ und Nielsen ist einer der großen Söhne Dänemarks – sie wollten, dass ich komme und das Stück spiele, weil ein Teil davon in Norwegen geschrieben wurde. Es war eigentlich teilweise in Griegs Heimat komponiert. Nielsen besuchte Griegs Witwe in ihrem Haus und als er dort blieb, arbeitete er in Griegs Arbeits-Landhaus, wo er den ersten Teil des Konzertes komponierte. Seit ich Norwegerin bin, dachten sie, dass sie besonderen Wert darauf legen sollten.

Dann erkannte ich, dass dieses Stück eine Menge Möglichkeiten bot. Es ist ein wundervolles Werk für Violine. Ich denke, jeder Violinist sollte dieses Stück einmal spielen, weil es denjenigen nicht nur technisch, sondern auch in der Fähigkeit Strukturen zu erkennen, verändern wird. Du musst dieses Stück aus der Vogelperspektive betrachten, das ist die Perspektive, die notwendig ist.

Laurie: Es scheint, als ändere es schnell die Stimmungen.

Vilde: Das stimmt, und das kann einen etwas verwirren. Die Herausforderung ist, alles zusammen zu fügen. In dieser Hinsicht ist es ein wenig wie die dänische Version von dem Elgar Konzert. Das Ende des Elgar Konzertes ist sehr lang und es ist eine ähnliche Herausforderung wie bei Nielsen.

Laurie: Es gibt nicht viele Aufnahmen, die ich gefunden habe. Wie kamst du dazu es zu studieren / Wie gingst du vor es zu studieren? Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher es jemals zuvor gehört zu haben. Das ist verrückt!

Vilde: Es gibt eine Aufnahme von Nikolaj Znaider, der sie machte als er etwas jünger war. Auf eine Weise ist es wirklich schön, dass es nicht viele Vorurteile über dieses Konzert gibt. Das macht es wirklich unberührt, und dadurch gibt es keinen allgemeine Meinung der Interpretation. Es ist immer noch ein Stück weit unentdeckt.

Der Punkt bei diesem Konzert ist, dass du dieses Konzert nicht bloß mit 100%-igem Einsatz spielen kannst, du musst es zu 140% spielen und formen. Du musst diese Musik mit viel Absicht spielen, ansonsten würde es nicht funktionieren. Würdest du Nielsen mit nur 80% Bemühung, oder 80% Technik spielen, würde es grausam und furchtbar klingen. Du musst mit viel Energie spielen. Es mag für die meisten Leute eine einschüchternde Aufgabe sein, sich diesem Stück nur anzunähern.

Es ist aber auch sehr wichtig nicht zu vergessen, dass es eine Klangsprache ist. Die Noten sind niemals nur virtuose Effekte; Sie haben immer eine musikalische Absicht. In dieser Art ist es wie das Tschaikowsky-Konzert. Im ersten Moment hat Tschaikowsky all diese technischen Passagen, aber da sind Melodien in diesen Passagen, auch wenn sie sehr schwierig und sehr trickreich sind. Genauso verhält es sich mit Nielsen. Es hört sich bizarr an, aber es macht in der Nielsen-Logik Sinn.

Laurie: Was brachte dich zur Violine? Hast du mit der Suzuki-Methode begonnen?

Vilde: Ja, das habe ich.

Mein Vater ist „Double bass player“, und meine Schwester ist auch ein „Double bass player“ – meine Mutter ist keine Musikerin. Als ich klein war, beobachtete ich meine Schwester, als sie in Jugendorchestern spielte und offensichtlicher Weise dachte ich, ich wäre die nächste in der Linie der „Double bass player“ der Familie! Es war für mich eine natürliche Sache, aber dann kam mein Vater mit folgendem Argument: Unsere Familie hatte einen Volkswagen, was ein kleines Auto war. Er sagte: „Kannst du dir vorstellen, wenn wir in den Urlaub fahren, mit drei „Double basses“ im Auto zu sitzen? Wir hätten keine Chance die ganze Familie im Auto unterzukriegen.“

Also machte er mir ein kleineres Instrument. Es war aus Pappe und hatte keine Saiten. So konnte ich meine „Little Twin Star“ Sticker und meine Hallo Kitty Sticker draufkleben. Aber die Tatsache, dass es keine Geräusche machte, frustrierte mich sehr! Ich musste fast ein Jahr darauf spielen, bevor ich endlich eine lebendige Violine bekam, die auch Geräusche machte.

Ich erinnere mich an den Moment als ich die wirkliche Violine bekam – ich übte nie wieder so inspiriert in meinem Leben wie die ersten Tage auf dieser Violine! Ich war im siebten Himmel, ich war so glücklich!

Laurie: Und nun hast du eine viel bessere Violine als die Pappkarton-Violine. Du hast eine Vuillaume, die du spielst, ist das richtig?

Vilde: Ich spielte das erste mal für Anne-Sophie Mutter als ich elf Jahre alt war. Danach bat sich mich sie auf dem Laufenden zu halten und sie verfolgte meine Entwicklung. Ich schickte ihr Aufnahmen und Tapes von meinem Spiel und Briefe über meine Tätigkeiten. Es war offensichtlich eine sehr inspirierende Sache für mich, weil ich wusste, dass sie irgendwo ein Auge auf mich hatte und mich beobachtete. Als ich 15 war, lud sich mich nach München ein um ein erneutes Probespiel für sie zu geben. Dann war ich in ihrer Stiftung, in ihrer Freundeskreis Stiftung, und ich bekam das Vuillaume Instrument.

Ich spiele diese Geige seit nunmehr acht Jahren. Über die Jahre öffnete sie sich mehr und mehr. Sie hat die wundervollste Stimme! Sie ist nicht perfekt; über die Jahre hatte ich einige Kämpfe, einige Streitigkeiten mit diesem Instrument. So ist es noch immer, weil es ist ein Wolf bei jedem C und B normalerweise, in jeder Oktave! Aber dennoch liebe ich sie so sehr. Sie ist nicht perfekt, aber sie ist wie ich: Ich bin auch nicht perfekt. Ich denke wir haben uns über die Jahre gegenseitig um einiges verbessert.

Frau Mutter war über die Jahre ein großartiger Mentor für mich. Ich machte 2008 eine Tour mit ihr und wir spielten in „Carnegie Hall“ und im „Kennedy Center“ in Washington. Ich spielte das Bach Duett mit ihr. Ich lernte natürlich sehr viel aus dieser Erfahrung, nicht nur im Spiel für sie, sondern auch im Spiel mit ihr.

Laurie: Sie ist ein sehr spontaner Spieler, so scheint es. Was genau hast du von ihr gelernt?

Vilde: Ich denke das wichtigste war, dass sie mich ermunterte mir selbst zu trauen, meinen eigenen Instinkten und meiner eigenen Stimme zu folgen. Das ist ihre oberste Priorität, und ihre Botschaft, die sie weitergeben möchte, und die ich denke, wundervoll ist.

Aber mehr als jeder andere Musiker ist sie sehr fokussiert darauf die Auswertung aufzuschlüsseln, um so nah wie möglich an dem Komponisten ran zu kommen. Einige Leute mögen denken, dass sie sehr frei spielt, aber eigentlich hat sie den authentischsten und striktesten Zugang, den ich kenne. Ich denke, dass sie sich deswegen diese Freiheit erlaubt. Je besser du das Stück kennst, und je besser du die Auswertung kennst, desto freier kannst du selbst sein.

Laurie: Als du den „Credit Suisse Contest“ gewonnen hast, spieltest du den wundervollen „Bartok Op. Posthumous“, Ich liebe dieses Stück; Ich dachte bisher immer ich wäre die einzige, die dieses Stück kennt, aber augenscheinlich lag ich da falsch, du hast es gespielt!

Vilde: Ist es nicht verrückt? Es ist so schade, dass nur so wenige Leute dieses Konzert kennen.

Laurie: Ich liebe, dass die Bewegung eine Sache ist, und dass das andere nur kompletter Wahnsinn ist, völlig losgelöst.

Ich liebe, dass eine Bewegung ist eine Sache, und das andere ist nur komplette Wahnsinn, komplett aus den Angeln gehoben.

Vilde: Bartok weihte dieses Konzert einem Mädchen, welches er sehr liebte, Stefi Geyer, und es stellt diese beiden wirklich dar, denke ich. Die erste Entwicklung ist ganz ihr geweiht; es beginnt mit dem Stefi-Thema, welches du durch das ganze Konzert finden kannst. Die zweite Entwicklung ist über einen jungen Mann, der sehr stolz ist, und bei dem Mädchen Eindruck machen will. Das zeigt eine andere Seite von Bartok. Viele Leute stellen sich Bartok als sehr groben Komponisten vor, aber ich denke er war sehr lyrisch, und sehr unverfälscht. Für mich ist er der klarste Komponist des zwanzigsten Jahrhunderts. Er hat Ähnlichkeiten zu Bach: Er musste nicht irgendwas hinzufügen, weil es nicht notwendig war. Irgendetwas in diesem musikalischen Ausdruck ist so aufrichtig.

Laurie: Du hast viel von Bartok gespielt – deine zweite Aufnahme hatte ebenfalls die Bartok Sonata.

Vilde: Ich nahm die Bartok solo Sonata auf, welches mein Lieblingsstück ist.

(Hier unten hören Sie einen Ausschnitt der Vilde`s Bartok solo Sonata. Wünschen Wünchen Sie mehr zu hören (ohne Video), dann klicken Sie bitte  HIER)

Laurie: Was macht es zu deinem Lieblingsstück?

Vilde: Es ist wie ein Monolog, wirklich. Es hat eine Art barocke Struktur. Dieses Stück zu spielen ist wie eine Reise. Ich war nie so konzentriert wie bei diesem Stück; es fordert eine hohe Leistung von dem Spieler – und ebenfalls von dem Publikum. Offen gesagt war ich sehr unsicher und besorgt, als ich das Stück übte, wie das Publikum darauf reagieren würde, weil es nicht einfach zum zuhören ist. Ich dachte: „Werden sie husten? Werden sie gehen? Wie werden sie reagieren?“ In der Realität, als ich die Bartok Sonata spielte, war die Verbindung stärker als jemals zuvor. Ich denke, das Publikum ist regelrecht hypnotisiert von dieser Musik. Es ist ein sehr gewaltiges Stück.

Laurie: Du bist in Norwegen aufgewachsen, wo lebst du jetzt?

Vilde: Ich ziehe von München nach Berlin. Ich lebte für fünf Jahre in München und nun ziehe ich nach Berlin.

Laurie: Was kommt für dich als nächstes?

Vilde: Ich erwarte mein Debut mit den Wiener Philharmonikern im September auf dem Lucerne Festival als Teil des „Credit Suisse Young Artist Award“, geleitet von Bernard Haitink. Außerdem werde ich mein „Proms debut“ mit den „BBC Philharmonic“ im nächsten Sommer machen. Ich spiele bei einigen Festivals, und das sind nicht wenige im Moment. Diese CD war im Juni veröffentlicht.

Laurie: Du hast den Sibelius mit den Wienern gemacht und es auch aufgenommen. Erzähl mir deine Gedanken zu dem Konzert.

Vilde: Das Sibelius Konzert ist ein anderes mit großer Bindung zu mir. Es ist ein Stück, dem ich sehr zugeneigt bin und ein Stück, für das ich bekannt bin . Es war ein Meilenstein. Ich erinnere mich, dass, als ich noch ein Kind war, ich diese Musik hörte und mir vorstellte sie eines Tages selbst spielen zu können. Nun, wo ich diesen Berg bestiegen habe, gibt es mir eine neue Perspektive. Nun ist es ein wenig wie dieser Berg zu werden, wenn ich es spiele. Meine Einstellung zu dem Stück wechselt immerzu – ich denke, ich spiele es im Moment anders als zu dem Zeitpunkt, als ich es vor zwei Jahren aufnahm.

Laurie: Das ist erlaubt, oder? Es ist ein gutes Zeichen.

Vilde: Ich denke schon. Es ist wie zuverlässige Worte, dessen Bedeutung sich über die Jahre wandelt. Wenn du vier Jahre alt bist, bedeutet Liebe etwas bestimmtes für dich, und wenn du zwanzig Jahre alt bist, bedeutet Liebe noch viel mehr. Dasselbe passiert im Alter von zweiunddreißig, achtundfünfzig oder einundsiebzig – es ändert sich dauernd. Die Kraft dieses Wortes ändert sich stetig und genau so verhält es sich mit der Musik, oder?

Laurie: Das stimmt, und das Wunderbare ist, dass Liebe mit achtundfünfzig Jahren immer noch das meint, was es meinte als du vier Jahre alt warst oder auch wenn du zwanzig Jahre alt warst, es meint nur mehr.

Vilde: Ja, genau! Aber außerdem drückst du es auf eine andere Art und Weise aus, denke ich, und du hast eine andere Einstellung dazu.

(Vilde Frang mit dem Bruch Violinkonzert, das sie mit dem Philarmonia Orchestra und Jakub Hrusa in April 2012 spielte .)

Übersetzung: Natalie Witschas

© Copyright by Violinist.com. Erst erschienen in: https://www.violinist.com/blog/laurie/20128/13782/