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Interview mit Daniel Hope: Musik als Waffe gegen Unterdrückung

Laurie Niles


19. Januar 2017, 12:36 Uhr

„I will not remain silent.“ (Ich werde nicht schweigen.)

So lautet der Titel eines Violinkonzerts, das der in Berlin wohnhafte Daniel Hope in dieser Woche in Los Angeles aufführen wird – ebenso könnte dieser Titel aber auch sein persönliches Motto sein. Hope ist sowohl ein äußerst produktiver Künstler mit vielfältigen Talenten als auch ein Aktivist, er überbringt seine Botschaften nicht nur mit der Geige, sondern auch in seinen Schriften, Dokumentationen und als Veranstalter einer Radiosendung.

Daniel Hope

Daniel Hope. Foto: Margaret Malandruccolo

Er scheut sich auch nicht vor schwierigen Themen. Diese Woche wird er einen Vortrag über Kurt Weill an der University of Southern California halten und an einer Filmvorstellung seiner Dokumentation „Refuge in Music“ (Zuflucht in der Musik) aus dem Jahr 2013 teilnehmen, in der es um Musiker geht, die den zweiten Weltkrieg im Konzentrationslager Theresienstadt überlebt haben. Außerdem wird er am Samstag und Sonntag mit dem Los Angeles Chamber Orchestra konzertieren.

Im Mittelpunkt all dieser Unternehmungen stehen Themen wie etwa die Verfechtung von Bürgerrechten, Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Kampf gegen Unterdrückung – Themen, die im Hinblick auf den politischen Wandel und die Unruhen in den USA besonders vorausschauend erscheinen.

Das Violinkonzert „I will not remain silent“ ist „ein fantastisches, sehr leidenschaftliches, lyrisches Konzert, das die Geschichte eines faszinierenden Mannes erzählt“, berichtete mir Hope am letzten Dienstag am Telefon in Los Angeles. Das Werk, das von Bruce Adolphe komponiert wurde, erzählt die Geschichte des Rabbis Joachim Prinz, der dem Hitler-Deutschland entkommen ist, um sich in den USA niederzulassen. „[Prinz] glaubte fest daran, dass das schlimmste, was man tun kann, ist, zu schweigen. Er wurde ein engagierter Verfechter der Menschenrechte, sprach sich gegen Rassismus und Vorurteile aus und kritisierte die Geschehnisse sowohl im nationalsozialistischen Deutschland als auch in den USA in den 1950er und 1960er Jahren.“

„Er hatte keine Schubladen für verschiedene Arten von Unterdrückung“, sagte Hope, „Unterdrückung blieb für ihn Unterdrückung“.

Mit dem Konzert, das Hope am kommenden Wochenende mit dem Los Angeles Chamber Orchestra aufführen wird, will Adolphe zwei verschiedene Welten aufzeigen: Zum einen die Welt der 1930er Jahre in Deutschland mit dem nationalsozialistischen Berlin; zum anderen die Welt der Bürgerrechtsbewegung in Amerika um Martin Luther King. „Er setzte das auf eine sehr raffinierte Weise um, indem er musikalisch quasi die Gänge wechselte“, sagt Hope. Das Werk hat zwei Sätze, jeder repräsentiert eine dieser Welten. „Er vermischte Spirituals und Lieder der Bürgerrechtsbewegung, die er wiederum geschickt in den zweiten Satz einwebte. Auf dieselbe Weise, griff er [im ersten Satz] Klänge aus Berlin und dem Krieg auf – Explosionen, Schüsse und vieles mehr werden durch das Orchester vertont. Die Geige steht im Mittelpunkt, sie repräsentiert die Stimme des Rabbis Prinz, der ständig darum bemüht ist, über den Ereignissen zu stehen. Das Werk ist geradezu wie eine Reise in die Geschichte, ein großartiges Stück.“

Hopes Dokumentation „Refuge in Music“ aus dem Jahr 2013 wird am kommenden Freitag ausgestrahlt. Sie erzählt die Geschichte zweier Musiker, die das Konzentrationslager Theresienstadt in der Nähe von Prag überlebt haben. „Eine von ihnen ist Alice Herz-Sommer. Sie starb vor ungefähr zwei Jahren im Alter von 111 Jahren – sie war 109 Jahre alt, als wir sie interviewten!“ erzählt Hope. „Sie war eine klassische Pianistin und gab über 100 Konzerte in Theresienstadt. Coco Schumann war der Name des anderen Musikers, ein Jazz-Künstler aus Berlin, der in der Swing-Szene der Hauptstadt aktiv war. Zunächst wurde er nach Theresienstadt deportiert, und anschließend überlebte er sogar Auschwitz“, schildert Hope. „Bis vor kurzem noch gab er Konzerte mit seiner Jazz-Band.“

Der Film berichtet über das Leben der beiden Musiker, und ihre Geschichte wird von Ausschnitten aus einem Live-Konzert aus München untermalt, das die Musik von Theresienstadt aufgreift. Neben Hope, der in dem Konzert singt und spielt, sind auch andere Musiker wie Christian Gerhaber und Anne Sofie von Otter beteiligt.

Für die Interviews „bin ich zusammen mit Coco Schumann nach Theresienstadt gefahren“, erzählt Hope, „und ich besuchte Alice Herz-Sommer in ihrer Wohnung in London.“

„Ich wollte keine historische Dokumentation machen, sondern die Musiker sollten im Fokus stehen und die Art und Weise, wie sie die Musik nutzen, um anderen zu helfen und um sie zu retten“, sagt Hope. „Diese beiden Musiker waren maßgeblich daran beteiligt, eine Art Konzert-Szene in Theresienstadt ins Leben zu rufen. In einer Zeit, die untragbar und unvorstellbar für die meisten von uns ist, waren sie irgendwie dazu in der Lage, über Musik nachzudenken und schöpferisch tätig zu sein.“

Wie kam Hope auf diese Idee? Alles begann vor ungefähr 20 Jahren.

„Ich kam völlig zufällig darauf; eines Tages fuhr ich gerade von einem Konzert zurück, als ich im Radio eine Streichtrio hörte“, erzählt er. „Ich versuchte zu erraten, was für ein Stück das sein könnte – es klang ein wenig nach Strawinsky, ein bisschen nach Bartók, aber ich wusste, dass er kein Streichtrio komponiert hatte. Es hat mich so überwältigt, dass ich zur Seite fuhr, um sicher zu gehen, dass ich den Namen den Stücks auf jeden Fall mitbekam. Der Radiomoderator sagte, dass es sich um ein Werk von Gideon Klein handle – doch der Komponist war mir völlig unbekannt. Als ich zurück in mein Hotel kam, begann ich, nach Gideon Klein zu recherchieren und stieß auf eine Fülle an Informationen über Theresienstadt. Klein war ein sehr junger Pianist und Komponist, der dort gefangen war und später in einem anderen Konzentrationslager ermordet wurde. Dieses außergewöhnliche Stück hatte er nur ein paar Tage vor seiner Deportation nach Auschwitz komponiert.“

Das Werk ist eines von vielen Kompositionen, die aus Theresienstadt stammen, und es wurde von Hope und anderen Musikern auf einer CD mit dem Titel „Forbidden Music: Music from Theresienstadt“ (Verbotene Musik: Musik aus Theresienstadt) (2003) aufgenommen. Eine weitere Aufnahme von Hope trägt den Titel „Terezín/Theresienstadt“ (2008). Das Trio wird neben anderen Stücken am Dienstag in einem Kammermusikkonzert in der University of California, Los Angeles, begleitet von einem Vortrag über Theresienstadt, aufgeführt.

Aus dem Englischen von Michaele Schoeler

© Copyright by Violinist.com. Originalquelle: https://www.violinist.com/blog/laurie/20171/20951/