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Interview mit Daishin Kashimoto: Beethoven Sonaten

Laurie Niles

Interviewer: Laurie
Veröffentlicht am   28. März 2014 um 6:08 PM [UTC]

Der in London geborene, japanische Violinist Daishin Kashimoto plante nie wirklich ein Konzertmeister zu sein, aber er war wirklich begeistert ein solcher seit 2009 bei den Berliner Philharmoniker zu sein.

Mittlerweile ist er Mitte 30, Daishin begann seine Karriere als Wunderkind. Mit sieben Jahren wurde er an die Juillard-Hochschule aufgenommen und als Teenager gewann er erste Preise in bedeutsamen Wettbewerben: bei der Menuhin Junior International Competition (1993), der Cologne International Violin Competition (1994), der Fritz Kreisler Competition in Vienna (1996) und der Long-Thibaud International Competition in Paris (1996).

Den Job in Berlin zu bekommen war für ihn eine Ausweitung seiner Leidenschaft für Kammermusik – ein Freund aus der Kammermusik (der kürzlich auch ein Konzertmeister bei der Berliner Philharmonie wurde), riet ihm den Auftritt zu probieren.

Sein jüngstes Aufnahmeprojekt zeigt, dass er die Kammermusik gewiss noch nicht aufgegeben hat: er veröffentlichte kürzlich eine Aufnahme von allen 10 Beethoven Sonaten für Klavier und Violine, mit dem russischen Pianisten (und viele würde sagen "Genie") Konstantin Lifschitz. (iTunes verkauft die Aufnahmen für $9.99 ab dem 25. Mai – nicht schlecht für 10 Sonaten!)

Daishin and Konstantin

Ich telefonierte vor ein paar Wochen mit Daishin und redete mit ihm über seine frühen Einflüsse, die Kultur an der Berliner Philharmonie und die Zusammenarbeit mit Konstantin Lifschitz bezüglich der Beethoven Sonaten.

Laurie: Was hat dich dazu gebracht, anzufangen, Geige zu spielen? Und wie alt warst du?

Daishin: Ich habe angefangen als ich dreieinhalb war. Meine Mutter spielte Klavier und mein Vater wollte einfach, dass ich ein Instrument spiele. Wir hatten sehr viele Instrumente zuhause, auch Klavier. Ich habe als Baby mit den Instrumenten immer ein bisschen rumgespielt und mit der Geige habe ich am liebsten gespielt, weil meine Mutter gesagt hat, mit der Geige und dem Bogen kann ich mit zwei Spielzeugen auf einmal spielen! So ist das dann gewesen.

Laurie: Ich habe bemerkt, dass du an vielen verschiedenen Orten gelebt und studiert hast: geboren in London, wohnhaft in Tokio, den USA und Deutschland. Was hast du aus all diesen verschiedenen Orten musikalisch für dich mitgenommen?

Daishin: Nunja, das ist interessant, weil ich mit dem Geige-spielen in Japan angefangen habe. Natürlich, ich war ein Kind! Ich bin schon nach New York gegangen als ich fünf war. Aber ich erinnere mich an meine Lehrerin in Tokio (Kumiko Etoh), die sich darum gekümmert hat, dass ich und meine Mutter diese Sache ernst nehmen. Wenn man anfängt etwas zu tun, dann sollte man diesen Weg auch zuende gehen. Versuche es, um besser zu werden, nicht nur zum Spaß. Das war die Haltung, die sie stets vertrat. Wenn du mit mir studieren willst, dann tu es ernsthaft; es war nicht nur ein Hobby. Und meine Mutter hat mich nie gezwungen ein professioneller Violinist zu werden, aber sie hat das alles trotzdem sehr ernst genommen. Sie wollte nichts bereuen müssen. Als ich ein Kind war hat sie es natürlich ernster genommen als ich! Wie das asiatische Mütter meistens tun! (lacht) Das hat sich über die Jahre wirklich nicht geändert glaub ich!

Dann sind wir nach New York gegangen und ich besuchte das Juillard Pre-College, traf viele Kinder in meinem Alter jeden Samstag, spielte im Orchester, bekam Unterricht und machte das ganze Basis-Musiktraining. Ich erinnere mich, dass ich nicht nur die Musik geliebt habe sondern auch das Zusammensein mit den anderen Leuten. Wir wollten alle ein Ziel erreichen, eines, das sehr weit weg schien. Es ging nicht um das Ankommen, es ging um die Reise dorthin. Das war sehr besonders für mich, ich habe die Zeit dort geliebt.

Laurie: Mit wem hast du dort studiert?

Daishin: Mit Miss DeLay und meistens mit Miss Naoko Tanaka. Dann bin ich mit elf Jahren nach Deutschland gekommen. Zuerst war ich in Lübeck, im Norden und habe mit Zakhar Bron, dem berühmten russischem Lehrer studiert, bis ich 19 war.

Laurie: Dieser Unterricht muss ganz anders gewesen sein als der mit zum Beispiel Dorothy DeLay.

Daishin: Absolut. Zwei unterschiedliche Welten.

Es war auch eine große Entscheidung für die Familie. Im Sommer müssten wir für zwei Monate nach Europa kommen, für Master-Unterricht und Privatunterricht bei verschiedenen Lehrern, damit ich Europa kennenlerne. Dann sagte Mr. Bron, er würde mir Grundlagenunterricht geben und ich solle in seine Klasse nach Lübeck kommen. Ich erinnere mich, dass mein Vater mich bei einem Familientreffen fragte: „Willst du wirklich nach Deutschland gehen und Unterricht bei Mr. Bron bekommen?“ Und ich sagte ja, es hat sich richtig angefühlt. Und das war es! Meine Eltern mussten sich sozusagen trennen, weil mein Vater in New York weiter Geld verdienen musste und meine Mutter mich nach Deutschland begleiten musste. Es war also ein großer Aufwand für sie. Ich habe mir gesagt, dass wenn sie mich nach Deutschland zum studieren begleiten, dann muss ich wirklich versuchen ein großer Musiker zu werden.

Mr. Bron war fantastisch und ich war privilegiert, achteinhalb Jahre mit ihm zu haben. Das war ein großer Unterschied.

Mit 18 bin ich nach Freiburg gegangen, in den Süden Deutschlands, um mit Rainer Kussmaul, dem früheren Konzertmeister der Berliner Philharmonie zu studieren. Das war auch ganz anders, eine deutsche Schule verglichen mit einer russischen (obwohl es in Deutschland war, war Mr. Bron von der russischen Schule). Ja, ich hatte viele verschiedene Einflüsse. Ich war froh in New York gewesen zu sein, zufälligerweise, weil mein Vater dort arbeitete. So ist das Leben, du weißt nie was als nächstes passieren wird.

Laurie: Wie lange bist du Konzertmeister in Berlin gewesen und was hat dich dazu gebracht, den Job anzunehmen?

Daishin: Seit viereinhalb Jahren. Eigentlich war es mein Kollege und Freund Guy Braunstein, der mit vorgeschlagen hat mich für den Job zu bewerben. Er war ein Konzertmeister hier in Berlin und ich habe viel Kammermusik mit ihm gespielt und war auch mit ihm befreundet. Er hat mir erzählt, dass der frühere Konzertmeister Toru Yasunaga Berlin verlassen würde und dass ich mich bewerben sollte. Ich fragte mich: "worüber redet dieser Kerl?" (lacht) Ich konnte mich selber wirklich nicht in diesem Job sehen. Es war nicht, dass ich nicht selbstbewusst war; es war nur, weil ich nie den Gedanken hatte in einem Orchester zu spielen. Natürlich, ich hörte immer die Konzerte, die unglaublichen Sinfonien und ich wollte immer irgendwo eine Rolle dabei übernehmen. Ich dachte: Wo ist ein besser Ort, die Sinfonien zu lernen als hier in Berlin? Also mit diesem Gedanken und dem Druck durch meinen Kollegen – diese Dinge brachten mich dazu, mich zu bewerben.

Laurie: Also hast du vorher nie in einem Orchester gespielt?

Daishin: Nur im Schulorchester.

Laurie: Wie gefällt es dir, nachdem du nun eine Weile dort bist?

Daishin: Es ist eine sehr interessante Erfahrung. Es ist ein anderes Spielen, ein anderes Musik-Machen. Aber nicht unbedingt besser oder schlechter. Es ist einfach eine andere Art und Weise und natürlich haben wir einige unglaubliche Konzerte gemeistert. Dieses Gefühl von Teamwork ist mir wirklich neu und ich liebe es. Es gefällt mir sehr gut.

Laurie: Ich war ein bisschen neugierig auf die Kultur in der Berliner Philharmonie, weil ich einen Video Blog gesehen habe, indem du das Prokofiev Concerto spielen solltest und das Orchester fing mit Mendelssohn an! Sind sie immer so albern?

Daishin: Ja ziemlich! (lacht) Du kannst spüren, dass sie ihre Arbeit wirklich genießen, dass sie jedes Mal mit Stolz zur Probe kommen, aber auch mit diesem Touch von Enthusiasmus, den man in keinem anderen Orchester auf der Welt findet. Es ist eine großartige Arbeitsatmosphäre.

Laurie: Wie ist es, mit dem Dirigenten Sir Simon Rattle zu spielen?

Daishin: Er ist auch einer von den lustigen Typen! Er macht auch gerne alberne Witze und ist eine sehr nette Person. Es ist immer ein Vergnügen, er probt fantastisch mit dem Orchester.

Laurie: Ich habe ein anderes Video von dir, ein Werbevideo für die Berlin Phil Live Lounge. Siehst du, dass das Orchester große Fortschritte macht um im 21. Jahrhundert anzukommen und neue Technologien zu nutzen um ein breiteres Publikum anzusprechen?

Daishin: Seit jeher ist dieses Orchester als modernes Orchester bekannt, zumindest als eines, das versucht modern zu sein. Ein weiteres Projekt ist das Berlin Philharmonic’s Digital Concert Hall on the Internet. Diese Dinge sind fabelhafte Errungenschaften. Aber wir nehmen auch die Tradition sehr ernst und ich denke das ist auch wichtig.

Aber es ist auch schön, diese Anlehnung an die moderne Welt zu haben und somit auch an die junge Generation. Wir starten diese Late-Night-Konzerte, Late Night at the Philharmonie, um 22.30Uhr.  Also nach einem normalen Konzert gibt es ein kleineres Konzert ohne Pause, mit meistens moderner Musik mit Orchester-Musikern, manchmal sogar mit Simon Rattle. Die Tickets sind natürlich viel günstiger, mehr für das jüngere Publikum.

Laurie: Wie laufen diese Konzerte?

Daishin: Großartig! In Berlin sind so viele junge Leute und es ist auch sehr international, also viele Nationalitäten. So sind diese Late-Night-Konzerte wie ein weltweiter Austausch. Sie machen Spaß.

Laurie: Ich habe mitbekommen, dass der amerikanische Violinist Noah Bendix-Balgley als Konzertmeister zur Berliner Philharmonie kommt. Das bringt mich zu der Frage: Wie viele Konzertmeister hat die Berliner Philharmonie?

Daishin: Es gibt drei Positionen. Es klingt komisch, aber wir sind die drei ersten Konzertmeister mit dem Wort „erster“ vorne und dann ist da ein Konzertmeister, der quasi wie ein Assistent in Amerika ist. Es gibt drei gleichrangige Chefs und einen darunter.

Laurie: Also wird er Guy Braunstein ersetzen, der dich überzeugt hat, dich für den höchsten Job zu bewerben?

Daishin: Ganz genau.

Laurie: Ich habe das Video gesehen, das Warner über deine Beethoven Sonaten mit Konstantin Lifschitz produziert hat. Ich frage mich wo du diese Aufnahmen gemacht hast! Es sieht aus wie ein Stück vom Himmel!

Daishin: Es war unglaublich, wir hatten drei Sitzungen und die erste haben wir in der Schweiz gemacht, irgendwo im nirgendwo, in den Bergen. Es war einfach unbeschreiblich schön. Immer wenn wir eine Pause gemacht haben sind wir einfach raus gegangen und dort war nichts außer Berge und frischer Luft. Die letzten zwei Sitzungen haben wir in Berlin gehabt.

Laurie: Etwas was du im Interview gesagt hast, dass Beethoven viele Herausforderungen hat, ließ mich fragen, ob du das ausarbeiten kannst. Was sind die Herausforderungen für die Violine und wie bewältigst du sie? Das ist ein großes Unternehmen, all diese Sonaten zu spielen.

Daishin: Es ist verrückt, ein verrücktes Projekt. Aber es ist auch ein Lebenstraum für einen Violinisten, all die Beethoven Sonaten zu spielen neben denen von Bach. Ich habe in Japan eine Tour mit allen Bach Sonaten und Partituren gemacht, was eine unglaubliche Erfahrung war. Ich fühlte, dass der nächste Schritt für mich einfach Beethoven sein musste.

Laurie: Warum?

Daishin: Ich weiß es nicht wirklich, aber ich glaube Bach zu spielen ist ein großer Zirkel, den du erleben solltest bevor du zu alt bist. Aber Beethoven ist etwas, das kein Endprodukt für mich ist. Diese Aufnahmen sind mehr ein Statement von wo ich gerade stehe, wie ich diese Musik gerade fühle. Ich weiß, dass ich später im Leben Beethoven von einer anderen Seite sehen könnte, auf eine andere Weise. Es wird ein Lebenswerk.

Laurie: Erinnerst du dich an die erste Beethoven Sonate, die du jemals gespielt hast?

Daishin: Es muss No.1 oder No.5 („Frühling“) gewesen sein. Normalerweise startet man mit dem „Frühling“. Ich habe es nie als Kind gespielt, ich war schon über zehn als ich Beethoven gespielt habe. Ich kenne all diese Kinder die Beethoven spielen wenn sie sechs sind, aber ich habe es nicht gemacht.

Laurie: Welche Auflage der Beethoven Sonaten hast du benutzt?

Daishin: Wir haben den Henle, den Urtext genutzt. Aber natürlich sind da so viele Fragezeichen über dem Material. Nicht alles ist wahrscheinlich original Beethoven; möglicherweise ist manches von den Bearbeitern. Manche Sachen hat Beethoven selber rausgestrichen. Beethoven war nicht so streng mit dem, was er geschrieben hat; er war ein bisschen frech glaub ich. Zum Beispiel würde er den gleichen Satz zweimal schreiben aber manche Sachen anders bezeichnen – einen Punkt oder Strich vergessen. Also hatten wir eine kleine Diskussion wie das Material zu verstehen und interpretieren ist.

Laurie: Wie lange hast du gebraucht um das zusammenzusetzen? Es klingt schon wie ein akademisches Studium, eine Leistung.

Daishin: Ist es, aber zum Glück haben wir viel miteinander gespielt. Es war ein wachsender Prozess.

Laurie: Vor wie vielen Jahren hast du Konstantin getroffen? Wie habt ihr entschieden, dies zusammen zu machen?

Daishin: Das erste Mal hab ich ihn getroffen da war ich 12. Ich kannte ihn eine lange Zeit, vor 22 Jahren hab ich ihn das erste Mal getroffen, in der Schweiz. Er hat gespielt und ich hab bei einem Festival für junge Künstler gespielt. Er ist ein paar Jahre älter als ich, also war er da so 14, 15. Ich habe ihm zugehört und gedacht: wow, da sind wirklich Genies draußen. Ich war unglaublich begeistert.

Das erste Mal haben wir vor wahrscheinlich 12 Jahren gespielt, beginnend mit der neunten Beethoven Sonate, der „Kreutzer“ Sonate, und ein paar andere Stücke. Ab dann haben wir regelmäßig zusammen gespielt.

Laurie: Beethoven nennt die Sonaten „Sonaten für Piano und Violine“, mit „Piano“ zuerst. Wie wichtig ist das Klavier?

Daishin: In den früheren Sonaten ist es offensichtlich, dass das Sonaten für Klavier sind mit Geige als Begleitung, in Klammern kann man sagen. Aber in den späteren Werken kann man sehen, wie sich das immer mehr ausgleicht. Für mich beginnt das schon mit der  „Frühling Sonate“, wo die Balance beginnt sich zu verschieben. Und in den Sonaten 6,7 und 8 ist das dann sehr ausgeglichen. Es ist interessant zu sehen, wie Beethovens Kompositionen sich entwickeln, in den nicht-so-vielen Jahren.

Laurie: Findest du das Geschriebene für Geige ist auch ein bisschen pianistisch oder nicht?

Daishin: Die meisten Komponisten spielten Klavier, sie schreiben pianistisch. Alle Brahms, es kommt vom Klavier. Beethoven auch. Vielleicht war Mozart anders, weil er so gut die Geige spielen konnte, aber Beethoven war nicht berühmt für sein Violinspiel. Ich weiß, dass er es konnte, aber er war nicht sehr gut. Brahms war ein großartiger Pianist. Also alle diese Komponisten, sie haben alle am Klavier komponiert und die Musik dann auf die Geige übertragen.

Laurie: Es ist nicht wie Wieniawski oder sowas.

Daishin: Genau! Wieniawski wäre sehr violinistisch – schwieriger, aber violinistischer. Aber ich denke das ist egal, es geht ja um die Musik.

* * *

Daishin Kashimoto spielt die Händel/Halvorsen Passacaglia mit der Cellistin Jing Zhao:

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